Einführung

Die Garnisonkirche war nicht nur das höchste Bauwerk der Stadt, sondern mit etwa 3.000 Plätzen auch das mit Abstand größte Gebäude Potsdams. Sie diente für verschiedenste Veranstaltungen: Sonntags- und Festgottesdienste, Musikaufführungen und Konzerte, Fahnenweihen und militärische Traditionsfeiern, Taufen und Trauungen. Doch im Laufe der Zeit trat die Funktion als Gotteshaus der Potsdamer Garnison in den Hintergrund zugunsten einer Repräsentationskirche des preußischen Herrscherhauses.

Abendmahlsbuch der Garnisonkirche

Die Garnisonkirche wurde einst als Gotteshaus für die religiöse und seelsorgerliche Betreuung der in Potsdam stationierten, aber aus dem ganzen Staatsgebiet Preußens stammenden Soldaten protestantischen Glaubens und deren Angehörige errichtet. Eine Statistik aus dem Jahr 1811 benennt für die Gemeinde der Hof- und Garnisonkirche insgesamt etwa 12.000 Mitglieder. Davon gehörten 3.040  zur Hof- und Zivilgemeinde, 6.670 zur preußischen Garde und 2.200 zur hier stationierten Garnison. Damit zählte die Garnisonkirche mehr Mitglieder als sämtliche übrigen Potsdamer Kirchengemeinden zusammen. Auch die königliche Familie wohnte häufig den Gottesdiensten bei. Am Karfreitagsabendmahl 1770 ist an erster Stelle des Abendmahlsbuches "Ihro Hoheit, der Printz von Preußen" erwähnt.

Taufschein Horst Fritz Günter Klabunde

Die Militärpfarrer der Garnisonkirche betreuten die in Potsdam stationierten Soldaten evangelischen Glaubens bei kirchlichen Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen und Beerdigungen. In den 1920er bis Anfang der 1930er Jahre fanden im Durchschnitt jährlich etwa 50 Taufen statt. Eine davon war die von Horst Klabunde. Sein Vater diente zu dieser Zeit als Stabsgefreiter im Infanterie-Regiment Nr. 9, dessen Kaserne direkt neben der Garnisonkirche lag.

Trauung von Hans Georg und Irene von Gusovius in der Garnisonkirche

In den 1920er bis Anfang der 1930er Jahre fanden in der Garnisonkirche im Durchschnitt jährlich fast 100 Trauungen statt. Kirchliche Amtshandlungen wie Eheschließungen oder Taufen mit Angehörigen des Militärs durften nur von der Militärgeistlichen durchgeführt werden.

Trauerfeier für General Hans von Gronau

In den 1920er Jahren besuchten auch viele ehemalige hochrangige und in Potsdam wohnende Militärangehörige die Gottesdienste wie der General Hans von Gronau, der im Februar 1919 im Rang eines Generals der Artillerie aus dem militärischen Dienst ausgeschieden war. Er wohnte in der Moltkestraße 7 (heute: Hebbelstraße). Die private Trauerfeier im engen Familienkreis fand in der Garnisonkirche statt. Danach wurde der Sarg mit einem Trauermarsch in den Lustgarten geleitet, wo der Verstorbene im Beisein hochrangiger Militärs und Politiker, flankiert von Wehrmachtstruppen und Abordnungen verschiedener militärischer Verbände, mit militärischem Ehren in einem Staatsakt verabschiedet wurde.

Veranstaltungsheft zum Reformations-Schulgottesdienst

Jedes Jahr am Reformationstag fand in der Garnisonkirche ein zentraler Schulgottesdienst für alle Potsdamer Schulen statt. Die Anmeldelisten der einzelnen Schulen weisen stets zwischen 2.000 und 2.500 teilnehmende Schülerinnen und Schüler aus. Auch zu anderen staatlichen Feier- und Festtagen fanden in der Garnisonkirche Dankgottesdienste statt, wie beispielsweise die alljährlichen Gedenkgottesdienste zum Jahrestag der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ 1933 oder der Dankgottesdienst anlässlich der Volksabstimmung im Saarland 1935.

Weihnachtsgottesdienst des Infanterie-Regiments Nr. 9

Hauptnutzungszweck der Garnisonkirche waren gottesdienstliche Veranstaltungen der Zivil- und Militärgemeinde an Sonn- und kirchlichen Festtagen. Für Militärangehörige war der Gottesdienstbesuch bis 1935 Dienstverpflichtung. Am Weihnachtsgottesdienst des Infanterie-Regiments Nr. 9 saßen in der ersten Reihe die beiden Preußenprinzen Eitel Friedrich und August Wilhelm. Die Festansprache hielt Reichsbischof Ludwig Müller, der die Gleichschaltung der Evangelischen Kirche vorantrieb und am Tag zuvor mit Reichsjugendführer Baldur von Schirach den Vertrag zur zwangsweisen Eingliederung der Evangelischen Jungend in die Hitlerjugend unterzeichnet hatte. Die Gottesdienste waren keine rein religiösen Veranstaltungen, sondern boten den Predigern zugleich immer wieder Raum für politische Äußerungen.

Soldaten der Reichswehr betreten die Garnisonkirche anlässlich der 200-Jahrfeier

Anlässlich des 200-jährigen Bestehens der Garnisonkirche feierten Zivil- und Militärgemeinde einen gemeinsamen
Festgottesdienst in der außen frisch sanierten und innen reich geschmückten Garnisonkirche. Die Predigt hielt der oberste Militärgeistliche Feldprobst Dr. Ernst Schlegel, durch die Liturgie führte der Pfarrer der Zivilgemeinde Johannes Grunwaldt. Die Sitzordnung war exakt geregelt. Während sämtliche Emporen den Angehörigen der Militärgemeinde vorbehalten waren, platzierten sich die Mitglieder der Zivilgemeinde im Kirchenschiff. Das sehr musikalisch geprägte Programm sah unter anderem einen vom militärischen Trompeterkorps gespielten Gralsrittermarsch aus Richard Wagners Oper Parsifal vor. Drei Jahre zuvor hatte die Zivilgemeinde die Aufführung dieser Oper noch als für die Kirche „ungeeignet“ abgelehnt.

Schreiben des Evangelischen Oberkirchenrats an Gemeindekirchenrat der Zivilgemeinde

Der Verein Volksbühne für Potsdam und Umgebung e.V. fragte Anfang 1929 an, Richard Wagners Oper „Parsifal“ mit großem Ensemble von über 120 Musikern vor den Ostertagen in der Garnisonkirche aufführen zu dürfen. Der Gemeindekirchenrat lehnte mit der Begründung ab, der Inhalt dieser Oper sei „gänzlich ungeeignet“ für eine Kirche. Daraufhin wendete sich der Musikverein an den preußischen Regierungspräsident als Eigentümer, der die Gemeinde bat, die Anfrage erneut zu prüfen. Der Präsident äußerte ferner, dass er in Erwägung ziehe, als Eigentümer dieser Nutzung zuzustimmen. Wiederum lehnte der Gemeindekirchenrat ab, vor allem mit Verweis auf den „erotischen Inhalt“ im Zweiten Akt. Zugleich schaltete die Gemeinde den Oberkirchenrat ein, um eine Kraftprobe zwischen Eigentümer und Nutzer zu umgehen. Der Evangelische Oberkirchenrat ermahnte in dem hier gezeigten Schreiben, einen Grundsatzkonflikt zu vermeiden, indem die Regierung von ihrem Eigentumsrecht keinen Gebrauch mache. Eine Einigung konnte vor Ostern nicht mehr erzielt werden, so dass die Aufführung nicht in der Garnisonkirche stattfand.

Gruppenfoto nach der Trauung von „Luisenbräuten“

Nach dem frühen Tod der in Preußen vom Volk sehr verehrten Königin Luise im Jahr 1810, der Ehefrau von Friedrich Wilhelm III., unterstützte eine nach ihr benannte Stiftung seit 1811 arme und als unbescholten geltende Bräute, indem sie aus dem Stiftungskapital Zuschüsse zur oder auch die gesamte Aussteuer bezahlte. Immer zum Todestag Luises am 19. Juli jeden Jahres wurden die sogenannten Luisenbräute in der Potsdamer Garnisonkirche getraut. Während es anfangs oft zwei oder drei Paare waren, ließen sich 1936 zehn Brautpaare. Das letzte Luisenbrautpaar wurde 1943 getraut. Die Stiftung hatte nichts mit dem Bund Königin Luise gemein, der monarchistischen Frauenorganisation des paramilitärischen Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten.

Vorbeimarsch der Mitglieder des Deutsches Reichskriegerbundes „Kyffhäuser“ am Turmportal der Garnisonkirche

Am 1. und 2. Juli 1933 fanden in Potsdam die „Kyffhäusertage“ statt: 80.000 Mitglieder marschierten durch die Stadt. Die Begrüßungsfeier fand am Luftschiffhafen statt. Anschließend zog eine Parade über die Breite Straße bis zum Lustgarten. Am Freitag, den 2.7., folgte eine Feierstunde in der Garnisonkirche. Auch in den Jahren zuvor nutzten zahlreiche rechtsnationale und paramilitärische Verbände die Garnisonkirche. Viele dieser Veranstaltungen verliefen ähnlich wie diejenige der Ortsgruppen Berlin und Potsdam des rechtsnationalen Alldeutschen Verbandes. Die Mitglieder trafen sich am 28. Mai 1921 in Potsdam anlässlich ihres 30jährigen Gründungsjubiläums. Die Feierlichkeiten starteten mit einer Andacht in der Garnisonkirche, bei der der Vorsitzende der Ortsgruppe Berlin, Pfarrer von der Heydt „zur Mitarbeit am Wiedererstarken von Glauben, deutschem Vaterlandsgefühl und nationalem Willen“ aufrief. Danach zog die Festversammlung weiter zum Schloss Sanssouci, wo Grußworte vorgetragen wurden und politische Reden folgten.

Eintrittskarte zum Konzert des Russischen Domchores

Aufgrund ihrer Größe diente die Garnisonkirche in den 1930er Jahren häufiger auch als Konzertraum für Musikveranstaltungen, wie unter anderem dem Russischen Domchor im Jahr 1935. Aber auch der „Städtische Chor Potsdam“ unter der Leitung von Prof. Karl Landgrebe, Kantor und Organist an der Friedenskirche und seit 1936 offiziell Städtischer Musikbeauftragter, sowie die städtische Musikschule mieteten regelmäßig die Kirche für Auftritte und Konzertveranstaltungen. Auch Orgel- und Festkonzerte fanden statt, oft begleitet von einer Andacht vor der Königsgruft und bei entsprechenden Anlässen auch mit Aufmärschen von Ehrenformationen verschiedener Verbände. Die Entscheidung über die Nutzung der Kirche führte oft zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Eigentümer (preußischer Staat) und dem Nutzer (Zivilgemeinde).

Fahnenweihe der Hitlerjugend

Nach dem „Tag von Potsdam“ fragten vermehrt NS-Gruppen die Nutzung des Kirchengebäudes an. Am 24. Januar 1934 beispielsweise fand in der Garnisonkirche am Vormittag eine Feierstunde des Deutschen Arbeitsdienstes statt. Abends folgte eine Fahnenweihe der Hitlerjugend in Anwesenheit von SA-Chef Ernst Röhm, Innenminister Wilhelm Frick, Propagandaminister Joseph Goebbels, Reichsbischof Ludwig Müller und anderen NS-Politikern. Zum Auftakt intonierte die Orgel das Reichsjugendlied „Unsre Fahne flattert uns voran“, dem eine Ansprache von Reichsjugendführer Baldur von Schirach folgte. Während der anschließenden Weihehandlung berührten – nach dem Muster eines magischen Rituals – die 342 Fahnen der Hitlerjugend eine sogenannte „Blutfahne“, die angeblich der am 24. Januar 1932 gestorbene Hitlerjunge Herbert Norkus in der Hand gehalten hatte. Nach einer Schweigeminute zu Ehren Friedrichs des Großen anlässlich dessen Geburtstags am gleichen Tag hielt von Schirach eine Andacht in der Königsgruft. Das Absingen des Deutschlandlieds beendete den nationalsozialistischen Kultakt.

Bedingung für die Überlassung der Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam

Die Anfragen nichtkirchlicher Nutzung der Garnisonkirche nahmen in der 1930er Jahren weiter zu. Die Verantwortlichen der Zivilgemeinde reaktivierten diese Bedingungen für die Überlassung der Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam, die wahrscheinlich noch aus dem 19. Jahrhundert stammen und ihre Gültigkeit nie verloren haben. Sie geben klare Handlungsanweisungen und regelten die ausschließlich gottesdienstliche Nutzung der Kirche. In der Praxis fand sie offensichtlich aber nicht konsequent Anwendung.

Zwei Schreiben von Pfarrer Damrath an den Evangelischen Oberkirchenrat bezüglich Fahnenweihe der Hitlerjugend

Als der Reichsführer der Hitlerjugend für 1939 die erneute Nutzung der Garnisonkirche für ihre Fahnenweihe anfragte, offenbarten sich die Konflikte um die Entscheidungsgewalt der Kirchennutzung einmal mehr. Die beiden Schreiben vom Garnisonkirchenpfarrer Damrath, zugleich Vorsitzender des Gemeindekirchenrats, spiegeln die schwierige Entscheidungsfindung wieder. Die Gemeinde, der Oberkirchenrat, das Oberkommando der Wehrmacht und die Kommandantur in Potsdam sprachen sich gegen diese politische Instrumentalisierung der Kirche aus. Dafür plädierte aber das Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten. Der Regierungspräsident von Potsdam blieb als Eigentümer zunächst unentschieden. Anfang Januar 1939 lag noch keine Einigung vor, das Reichskirchenministerium wollte sogar eine persönliche Entscheidung Hitlers herbeiführen. Um das zu vermeiden, erlaubte der Regierungspräsident schließlich die Veranstaltung. Der politischen Entscheidung fügte sich der Gemeindekirchenrat letztendlich.