Symbolort zwischen Monarchie und Diktatur

Garnisonkirche in der Weimarer Republik und im NS-Regime

Staatskirche

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 war der deutsche Kaiser Wilhelm II. als preußischer König „von Gottes Gnaden“ zugleich Oberhaupt der evangelischen Landeskirche. Die Potsdamer Garnisonkirche hatte als Immediatkirche sogar direkt seinem Patronat unterstanden. Beide verloren mit seiner Abdankung ihren obersten Kirchenherrn. Der preußische Staat aber blieb Eigentümer der Garnisonkirche, die im politisch konservativ geprägten Potsdam von der Zivil- sowie der Militärgemeinde genutzt wurde.

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Sehnsuchtsort

Die Garnisonkirche umwehte die Aura vergangener Größe. In ihrer Gruft waren die Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große begraben. Letzterer hatte Preußen im 18. Jahrhundert als europäische Großmacht etabliert. Die im 19. Jahrhundert mit Kriegstrophäen ausgeschmückte Garnisonkirche diente als Ruhmeshalle des preußischen Aufstiegs. Nationalkonservative Kreise stilisierten sie nach dem Ende der Monarchie zum Erinnerungsort einer aus ihrer Sicht glorreichen preußisch-deutschen Militärtradition.

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Stadtdominante

Die Garnisonkirche war mit ihrem über 88 Meter hohen Turm bis 1945 das höchste Gebäude der Stadt. Als ein Hauptbauwerk des preußischen Barocks prägte sie den berühmten Potsdamer Dreikirchen-Blick. Nicht nur die innere Ausschmückung, sondern auch die äußere Architektur war weit über die Potsdamer Stadtgrenzen hinaus sichtbares Zeichen von gleichermaßen preußischem Machtanspruch und königlichem Herrschaftsverständnis.

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Veranstaltungsraum

Die Garnisonkirche war nicht nur das höchste Bauwerk der Stadt, sondern mit etwa 3.000 Plätzen auch das mit Abstand größte Gebäude Potsdams. Sie diente für verschiedenste Veranstaltungen: Sonntags- und Festgottesdienste, Musikaufführungen und Konzerte, Fahnenweihen und militärische Traditionsfeiern, Taufen und Trauungen. Doch im Laufe der Zeit trat die Funktion als Gotteshaus der Potsdamer Garnison in den Hintergrund zugunsten einer Repräsentationskirche des preußischen Herrscherhauses.

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Staatsakt

Die feierliche Eröffnung des am 5. März 1933 gewählten Reichstags ging als „Tag von Potsdam“ in die Geschichte ein. Der propagandistisch aufgeladene Staatsakt am 21. März 1933 gilt als symbolische Inszenierung des Bündnisses zwischen altem Preußentum und junger nationalsozialistischer Bewegung. Zehntausende Menschen wollten vor Ort das Ereignis miterleben, welches der Rundfunk ins ganze Land sendete. Aufgrund ihrer starken Symbolkraft bot sich Potsdamer Garnisonkirche wie kein zweites Gebäude als Schauplatz des Spektakels an.

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Pilgerstätte

In den 1930er Jahren entwickelte sich die Garnisonkirche zu einem regelrechten Besuchermagnet. Unter dem NSDAP-Oberbürgermeister Hans Friedrichs konzentrierten sich die Tourismus-Kampagnen der Stadt ganz auf den symbolträchtigen Ort des „Tags von Potsdam“, um mehr Gäste in die Potsdamer Innenstadt zu locken. Mit Erfolg, der Verkehrsverein Potsdam und auch die Garnisonkirche verzeichneten bis Kriegsbeginn 1939 jährlich steigende Besucherzahlen. Die kostenpflichtige Besichtigung von Kirche und Gruft erbrachte lukrative Einnahmen.

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Kirchenkampf

Viele Protestanten aus bürgerlich-konservativem Milieu verband mit der neuen NS-Regierung die grundsätzliche Ablehnung der Republik. Sie erhofften von ihr im Frühjahr 1933 nicht nur die Wiederaufrichtung des Deutschen Reichs zu vergangener Größe, sondern auch eine religiöse Erneuerung im Volk. Doch die nationale Aufbruchsstimmung wich bald einem verbitterten „Kirchenkampf“ zwischen der NS-treuen Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ und der Bekennenden Kirche, in dem sich die Pfarrer der Garnisonkirche eher neutral verhielten.

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Kirche im Krieg

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die in Potsdam stationierten Truppen und deren Divisionspfarrer an die Front verlegt. Die Gunst der Stunde nutzend versuchte die Wehrmacht gar, die Garnisonkirche „aus Traditionsgründen“ als altehrwürdige Kulturstätte in das Eigentum der Heeresverwaltung zu überführen. Die Zivilgemeinde bekräftigte hingegen deren ausschließlich kirchliche Nutzung. Wie in der ganzen Gesellschaft prägte der Krieg den Alltag der Garnisonkirche, die im April 1945 nach einem Bombenangriff weitgehend ausbrannte.

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